Wien New Deal meets Klima Biennale

Kunst & Kultur zur Bewältigung globaler Umweltprobleme: Motor des Wandels oder Nebensache?

Welche transformative Kraft können Kunst und Kultur entfalten, um Bilder einer Welt zu zeichnen, in denen alle Menschen ein gutes Leben innerhalb unserer planetaren Grenzen haben? 

Diesen hohen Stellenwert von Kunst und Kultur untersuchte die zweite Veranstaltung unter dem Titel „The Art of Social-Ecological Transformation“ im Rahmen von Wien New Deal meets Klima Biennale. Als Experimentierfeld für städtisches Zusammenleben und künstlerische Perspektiven bot das Festivalareal des Nordwestbahnhofgeländes einen idealen Hintergrund, um Zukunftsfragen gemeinsam zu verhandeln.

Im Kunstsektor müssen wie in jedem anderen Wirtschaftszweig konkrete Schritte zur Dekarbonisierung gesetzt werden. Kunst muss mehr schaffen als ihre bereits weit verbreitete Fähigkeit Bewusstseinsbildung zu ermöglichen. „Wie kommen wir vom Bewusstsein in die Materie, die uns alle verbindet?“, fragt Lucia Pietroiusti, die in der Serpentine Gallery in London als Chef-Ökologin arbeitet: „Ins Immaterielle, zu den Dingen, die wir für selbstverständlich erachten, zu den Gedanken, die wir über uns selbst und unseren Platz in der Welt haben?“ Das, argumentiert sie, könne Kunst schaffen, die berührt, verbindet, tröstet und auffängt. Um wirkungsvoll zu sein, müssen Künstler*innen strategisch agieren und sich in Entscheidungsprozesse einbringen.

„Wir müssen am Verhandlungstisch sitzen und klarmachen, wie fundamental es unserem Menschsein entspricht, auf den Planeten acht zu geben.“
Lucia Pietroiusti
Kulturinstitutionen spielen eine Schlüsselrolle in der Bewältigung der Klimakrise. Das interdisziplinäre Chaos sei etwas Gutes, brauche aber Sortierung durch Künstler*innen, meint Pietroiusti. Daher erfordert die komplexe Welt ein sehr hohes Maß an Spezialisierung. „Wenn es aber um Fragen geht, die den ganzen Planeten betreffen, deren Folgen höchst ungleich verteilt sind, und deren Beantwortung nicht nur Expertise, sondern auch Metaphysisches erfordert, dann brauchen wir auch jene Denker*innen, die auf das Verbinden und In-Beziehung-Treten beherrschen.“ Diese Rolle könne Kunst einnehmen.
„Kunst verfügt über enorme Kapazitäten um paradoxe Fragen zu stellen, Antworten zu finden, Bilder zu kreieren und mit Dingen umzugehen, die uns Angst machen.“
Veronica Kaup-Hasler

Kunst und Kultur haben einen hohen Stellenwert, wenn es um die Aushandlung gesellschaftlicher Fragen geht, meint Veronica Kaup-Hasler, Stadträtin für Kultur und Wissenschaft in Wien. Auch Christoph Thun-Hohenstein, Diplomat und ehemaliger Sektionschef im Außenministerium für internationale Kulturangelegenheiten bekräftigt, dass Kunst und Kulturinstitutionen das Potenzial bergen notwendigen Dialog zu ermöglichen und zu pflegen.

Darüber hinaus ist es die Regeneration, als Weiterentwicklung der Nachhaltigkeit, welche ins Zentrum unseres Tuns rücken muss. Dies bedeutet, dass wir der Erde mehr zurückgeben, als ihr entnommen wurde, um ein Zivilisationsmodell zu schaffen, das den Zustand der Erde schrittweise verbessert. Kunst kann die notwendige Sensibilität gegenüber der Natur und anderen Lebewesen schaffen und verbindend wirken.

Eine Intervention der letzten Generation unterbrach die laufende Veranstaltung. Anstatt die Unterbrechung als Störung zu sehen, nutzte Jürgen Czernohorszky die Gelegenheit für eine tiefgehende Diskussion mit den Aktivist:innen. Dieser Dialog zeigte, wie essenziell das Thema und der Austausch zwischen unterschiedlichen Akteur:innen ist – von Wissenschaft, Politik und Kunst bis hin zu aktivistischen Bewegungen.

Auch die Teilnehmenden der Podiumsdiskussion waren sich einig: Es ist eine politische Aufgabe, den kulturellen und gesellschaftlichen Boden aufzubereiten, um eine umfassende Transformation zu ermöglichen. „Wir müssen unsere Demokratie verteidigen und unsere demokratischen Strukturen stärken“, bekräftigte Kaup-Hasler: „Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem wir aufstehen müssen für das, was uns wichtig ist.“

Infos auf einen Blick

2. Veranstaltung, Donnerstag, 16. Mai 2024, 18:00 Uhr

Ort: Klima Biennale Wien, Festivalgelände Nordwestbahnhof
Teilnehmer*innen:
  •  Lucia Pietroiusti, Kunstmanagerin, Kuratorin von „Songs for the Changing Season“, Keynote Sprecherin
  • Veronica Kaup-Hasler, Stadträtin für Kultur und Wissenschaft Wien
  • Christoph Thun-Hohenstein, Jurist, Diplomat, Kunstmanager, Publizist

Moderation: Veronika Dolna-Gruber (Urban Innovation Vienna)