Wien New Deal Auftaktveranstaltung

Wie kann die ökologische Bewegung zu einer echten politischen Kraft werden?

In der ersten Veranstaltung von Wien New Deal sprach Nikolaj Schultz in seiner Keynote eindringlich über die zentrale Herausforderung unserer Zeit: die ökologische Frage. Sie betrifft alles– unsere Wirtschaft, unsere Gesellschaft, unser tägliches Leben. Und doch bleibt sie politisch oft wirkungslos. Warum? Weil Ökologie keine starke politische Ideologie ist. Noch nicht.
In der anschließenden Diskussion sprachen Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky, Lukas Oberndorfer (Leiter der Abteilung Umwelt und Verkehr der AK Wien), Katharina Rogenhofer (Mitbegründerin von Fridays for Future und Initiatorin des Klimavolksbegehrens) sowie Nikolaj Schultz über die Thesen der Keynote und die Frage, wie eine politisch wirksame ökologische Bewegung entstehen kann.
Nikolaj Schultz beschrieb das Paradoxon unserer Zeit: Ökologie ist gleichzeitig „überall und nirgends“. Sie dominiert Schlagzeilen, Debatten und wissenschaftliche Studien, doch politisch erleben wir eine Stagnation. Die Debatte wird technokratisch geführt, als ginge es nur um CO₂-Bilanzen und Klimaziele, dabei geht es um weit mehr. Was fehlt, ist der Mut, die ökologische Frage als Konflikt zu begreifen. Als eine neue Form des Klassenkampfes. Nicht mehr um Produktionsmittel, sondern um das gesamte System der Produktion, das unseren Planeten zerstört. Doch, so betonte Nikolaj Schultz, grüne Parteien setzen oft auf Angst, Katastrophenszenarien und Moralismus. Sie warnen vor dem Ende der Welt, bieten aber keine positive Vision einer besseren Zukunft. Dabei brauchen wir nicht nur Appelle zur Verzichtsethik, sondern Begehren, Leidenschaft, Inspiration.
In der anschließenden Diskussion sprachen Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky, Lukas Oberndorfer (Leiter der Abteilung Umwelt und Verkehr der AK Wien), Katharina Rogenhofer (Mitbegründerin von Fridays for Future und Initiatorin des Klimavolksbegehrens) sowie Nikolaj Schultz über die Thesen der Keynote und die Frage, wie eine politisch wirksame ökologische Bewegung entstehen kann.
„Man muss Konflikte benennen und bereit sein, sie auszutragen.“
Jürgen Czernohorszky
Jürgen Czernohorszky unterstrich die Bedeutung klarer Konfliktlinien und strategischer Allianzen. Als Gegner in diesem Kampf definierte er die „Superverschwender“, jene Akteure, die unverhältnismäßig hohe Ressourcen verbrauchen. Er forderte: „Es gilt, auf Basis von wissenschaftlichen Fakten die Hauptverantwortlichen ausfindig zu machen.“
„Wir müssen neben dem Kampf gegen die Klimakrise mitbedenken, dass Menschen sich abgehängt, nicht mehr gehört fühlen, und ihnen eine Brücke bauen.“
Katharina Rogenhofer
Katharina Rogenhofer warnte jedoch davor, den Konflikt in eine einfache Dichotomie von Gut und Böse zu verwandeln: „Wir dürfen keine Polarisierung im Sinne von verkürzten Wahrheiten oder ganzen Gruppen, die pauschal an den Pranger gestellt werden, zulassen.“ Gleichzeitig betonte sie die Notwendigkeit, Missstände klar zu benennen: „Es braucht ein klares Hinzeigen auf das, was falsch läuft, wo gerade die falschen Entscheidungen getroffen werden, wo in Hinterzimmern in eine Richtung lobbyiert wird, die nicht dem Wohl der Meisten entgegenkommt, sondern dem Wohl der Wenigen.“
„Unser gemeinsames Ziel ist es, ein Bündnis zu verfolgen, in dem soziale und ökologische Akteure zusammenfinden.“
Lukas Oberndorfer
Dass ökologische Fragen untrennbar mit sozialen Fragen verbunden sind, machte Lukas Oberndorfer deutlich: „Klassenverhältnisse sind nicht weg, sondern sie haben sich in den letzten Jahren zugespitzt. Aber ich kann die ökologische Klasse nicht alleine stehen lassen, weil sich auch andere Ausbeutungsverhältnisse auf den Klassenbegriff zurückführen lassen.“ Er betonte die Notwendigkeit breiter Bündnisse zwischen Klimaaktivistinnen, Gewerkschaften und politischen Vertreterinnen. Die Aufgabe für die kommenden Jahre sei klar, so Oberndorfer: „Der Auftrag ist: Organisieren wir uns, denken wir langfristig, planen wir strategisch, bringen wir Akteure zusammen, die gemeinsam handeln können.“
Ökologie und soziale Gerechtigkeit sind eng miteinander verknüpft – das betonte Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky: Die ökologische Frage betrifft viele direkt, und genau deshalb müsse sie verständlich und nahbar vermittelt werden. Es gehe nicht um einen moralischen Zeigefinger, sondern um eine ausgestreckte Hand. Katharina Rogenhofer unterstrich die Notwendigkeit, möglichst viele Menschen zu Bündnispartner*innen zu machen. Wer sich abgehängt fühlt, müsse einbezogen werden, Ängste und Sorgen sollten ernst genommen werden. Ein Schlüssel dafür liegt laut Czernohorszky in der Bürger*innenbeteiligung: Gemeinsam genutzte Ressourcen, aktive Mitgestaltung und ein gestärkter Gemeinsinn seien entscheidend, um Klimapolitik als gesellschaftliches Projekt zu verankern.

Die Diskussion machte deutlich: Eine ökologische Bewegung kann nur wirksam sein, wenn sie Konflikte klar benennt und gleichzeitig breite Allianzen schmiedet. Es braucht die Verbindung mit sozialen Bewegungen, strategische Bündnisse und echte Bürger*innenbeteiligung. Der ökologische Wandel braucht eine politische Strategie, die Menschen mitnimmt und sie für eine gemeinsame Vision begeistert.
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Infos auf einen Blick

1. Veranstaltung, 13. November 2023, 18:00 Uhr

Ort: Volkshalle Rathaus Wien
Teilnehmer*innen:
  • Nikolaj Schultz, Soziologe und Autor
  • Lukas Oberndorfer, Leiter der Abteilung Umwelt und Verkehr der AK Wien
  • Katharina Rogenhofer, Mitbegründerin der Fridays for Future Bewegung, Initiatorin des Klimavolksbegehrens
Moderation: Veronika Dolna-Gruber (Urban Innovation Vienna)